In einem früheren Beitrag habe ich darüber geschrieben, wie essenziell die richtigen Rahmenbedingungen dafür sind, Gewohnheiten in Beziehungen aufzubauen. Jetzt möchte ich diesen Gedanken fortführen und um eine Ebene erweitern. Abgesehen vom richtigen Setting bringen neue Gewohnheiten auch mit sich, dass wir uns mit Handlungen vertraut machen müssen, die uns bisher fremd waren. Und uns an folgendes Stück Wahrheit zu erinnern, kann dabei ungemein hilfreich sein: Egal wie simpel die Handlungen auch sein mögen, wenn wir sie wiederholen, können sie sehr bedeutsam werden.
Tatsächlich könnte man sagen: Je simpler die Handlungen sind, desto bedeutender können sie sein. Schon allein aus dem Grund, dass es dann leichter ist, sie durchzuziehen und sie zu wiederholen. Das ist wie wenn wir eine neue Sportroutine beginnen: Wir kommen oft weiter, wenn wir zunächst mit kleinen Schritten starten. Und wir riskieren nicht, uns entmutigen zu lassen (oder uns gar zu verletzen!), weil wir versuchen, unser großes Ziel schon gleich beim ersten Versuch zu erreichen. Oder uns von der Vorstellung, wie weit wir vom Ziel entfernt sind, überwältigen zu lassen. Wir kommen besser voran, wenn wir uns darauf konzentrieren, welchen Schritt wir jetzt tun können. Es kommt nicht darauf an, wie weit wir heute kommen - sondern darauf, ob wir morgen weitermachen, damit wir irgendwann ankommen.
Wenn ich darüber nachdenke, kommt mir das Bild von Pflanzensamen in den Kopf. Scheinbar unbedeutend, fast wie Sandkörner, stecken sie doch voller Potenzial. Ein Samenkorn zu säen erfordert nur wenig Aufwand - aber es kann sehr viel daraus wachsen. So winzig Samen auch anmuten mögen, sie können zu riesigen und majestätischen Bäumen heranwachsen. Eine Handvoll Samen kann eines Tages zu einem wunderschönen Wald werden, und damit zu einem Zuhause für Bäume und für eine ganze Gemeinschaft von Lebewesen. Doch dürfen wir nicht vergessen: Das Aussäen von Samen ist nur der erste Schritt - wir müssen sie auch pflegen.
Der Weg vom Samen zum Baum entspricht einer Kette von kleinen Handlungen. Nach der Aussaat muss man zum Beispiel dafür sorgen, dass das Samenkorn genügend Wasser hat und ausreichend Sonnenlicht bekommt. Mit der richtigen Pflege kann etwas Großes daraus werden. Eine wunderbare Analogie auf unsere Beziehungen: Die Beziehungs-Saat zu pflanzen und zu pflegen, könnte bedeuten, einem nahestehenden Menschen eine einfache, liebevolle Nachricht in Form einer Karte zu schicken. Oder uns daran zu erinnern, jemandem, den wir lieben, einen wertschätzenden Gedanken zu schicken. Oder, auch eine Möglichkeit, wir laden sie zu elim. ein, wo wir inmitten unseres geschäftigen Lebens fokussiert miteinander in Kontakt treten können. Aus Gedanken folgen Taten, aus einer Karte vielleicht ein schönes Abendessen. Aus einem Abendessen vielleicht das Gefühl, verbundener und weniger einsam zu sein.
Die initialen Handlungen brauchen nicht viel Zeit, können uns aber sehr weit bringen, wenn wir daraus eine Routine machen. Und das ist der springende Punkt: Kleine Gewohnheiten können große Effekte haben, wenn wir ihnen Raum und Zeit dafür geben. Denn kleine Taten sind viel leichter zu bewerkstelligen als große, vor allem in der hektischen und lauten Zeit, in der wir leben.
Natürlich hat auch die Wissenschaft einige Erkenntnisse zu diesem Thema hervorgebracht. Insbesondere die Aufmerksamkeitsökonomie birgt nützliche Erkenntnisse über den Einfluss von vermeintlich kleinen Aktionen auf unsere Wahrnehmung der Welt und unsere Entscheidungen. Eine von Herbert A. Simon in den 1970er Jahren aufgestellte Theorie besagt, dass eine Informationsflut - wie die, unter der wir leben, seit das Internet in jeden Winkel unseres Lebens vorgedrungen ist - zu einer Verknappung der Aufmerksamkeit führt. Werbeagenturen wissen das, und konkurrieren um das bisschen Aufmerksamkeit, das wir zur Verfügung haben, indem sie uns mit bunten und attraktiven Bildern, viralen Clips und kurzen eingängigen Melodien bewerfen - in der Hoffnung, uns als Kund*innen zu gewinnen. Und es funktioniert! Aber genauso wie uns ein nur fünfsekündiger Werbeclip in eine Spirale von aufmerksamkeitsverschlingendenm Konsumverhaltens führen kann, können uns fünf Sekunden auf einen anderen Weg bringen: Nutzen wir sie, um uns unseren Liebsten zuzuwenden, können kann aus unserer sozialen Welt ein dichter Wald wachsen. Wir müssen nur einen ersten Schritt zu einer neuen Gewohnheit gehen, um uns diesem Ziel anzunähern.